Recycling und Entsorgung von Verpackungen in Belgien

Ein alter Fernseher, achtlos in den Straßengraben geworfen. Volle blaue Müllsäcke im Wald. Dosen, Plastiktüten und andere Verpackungen mitten auf einer Wiese. Wenn es darum geht, Müll zu entsorgen, ist der Fantasie mancher Menschen scheinbar keine Grenze gesetzt. Dass sie Natur und Umwelt damit erheblich schaden und deswegen auch mit mehreren hundert Euro Geldstrafe rechnen können, ist ihnen egal. Doch nicht nur bei Privathaushalten sind die korrekte Entsorgung und das Recycling von Abfall ein Thema. Auch Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie müssen sich eingehend damit beschäftigen – vor allem, wenn sie ihre Produkte ins Ausland, zum Beispiel nach Belgien liefern.

Die gesetzlichen Grundbedingungen

Bereits 1994 führte die Europäische Union eine Richtlinie zur Harmonisierung der Bewirtschaftung von Verpackungen und Verpackungsabfällen in Bezug auf Entsorgung und Recycling ein. Diese Richtlinie 94/62/EG hat unter anderem das Ziel, die Auswirkungen von jenen Abfällen auf die Umwelt zu verringern oder, wenn möglich, sogar ganz zu vermeiden und auf diese Weise ein hohes Umweltschutzniveau sicherzustellen. Außerdem möchte sie das Funktionieren des Binnenmarkts gewährleisten und die Entstehung von Handelshemmnissen, Wettbewerbsverzerrungen sowie -beschränkungen verhindern. Besonders wichtig ist diese Richtlinie für Hersteller der Lebensmittel- und Getränkeindustrie, die ihre Produkte in Belgien produzieren und vertreiben oder aber im Ausland produzieren und nach Belgien exportieren.

Hier liegen die Zuständigkeiten für Umweltfragen nämlich auf mehreren staatlichen Ebenen, die schwer voneinander zu trennen sind. Viele gesamtgesellschaftlichen Aspekte sind dabei eng mit Umweltfragen verbunden. So gibt es zum einen den Föderalen Öffentlichen Dienst (vergleichbar mit dem Bundesministerium), der sich um die öffentliche Gesundheit, die Sicherheit der Nahrungskette und um die Umwelt kümmert. Auf der anderen Seite aber stehen die einzelnen Regionen Belgiens: Flandern, Brüssel und die Wallonie. Bei ihnen liegen die Hauptzuständigkeiten für sämtliche Umweltfragen sowie für Angelegenheiten von Lebensraum, Naturschutz, Entsorgung und Recycling von Abfällen. Hersteller der Lebensmittel- und Getränkeindustrie müssen aus diesem Grund sowohl die föderalen als auch die regionalen Vorgaben erfüllen.

Die Unterschiede der Verpackungsarten

Vertreibt ein Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie seine Produkte auf dem belgischen Markt, gilt es, folgende vier Arten von Verpackungen zu unterscheiden:

  1. Primärverpackungen (Verkaufs- oder Erstverpackungen): Hierzu zählen alle Verpackungen, die dem Endabnehmer oder Verbraucher in der Verkaufsstelle als eine Wareneinheit angeboten werden.
  2. Sekundärverpackungen (Um- oder Zweitverpackungen): Gemeint sind hier alle Verpackungen, die eine bestimmte Anzahl von Verkaufseinheiten enthalten, die entweder so verkauft werden oder der Bestückung von Regalen dienen. Diese Verpackungen lassen sich von der Ware entfernen, ohne deren Eigenschaften zu beeinträchtigen.
  3. Tertiärverpackungen (Transport- oder Drittverpackungen): Hierzu gehören alle Verpackungen, die das Verladen und den Transport erleichtern sowie eine Beschädigung der Ware vermeiden. Container sind allerdings keine Tertiärverpackungen.
  4. Serviceverpackungen: Unter diesen Punkt fallen alle Erst-, Zweit- und Drittverpackungen, die am Ort der Bereitstellung von Waren oder Dienstleistungen für Verbraucher verwendet werden.

Unter welchem dieser vier Punkte eine Verpackung einzuordnen ist, entscheidet sich dabei anhand ihrer Klassifizierung. So müssen Hersteller festlegen, ob ihre Produkte und deren Verpackungen kommerziell oder rein privat zu nutzen sind bzw. ob es sich um gewerbliche oder Haushaltsartikel handelt. Denn das ist entscheidend für die Deklaration bei den zuständigen Einrichtungen zur Entsorgung und zum Recycling.

Fost Plus und VAL-I-PAC

Sich allein an den Richtlinien der Regionen und des Föderalen Öffentlichen Dienstes zu orientieren, reicht allerdings nicht aus, gibt es doch Regelungen der Internationalen Verpackungskommission (IVK), die herstellende Unternehmen ebenfalls beachten müssen. In Bezug auf Recycling und Verpackung lässt die IVK nämlich nur Einrichtungen zu, die von Unternehmen mit der Durchführung ihrer Verpflichtungen beauftragt werden können. Dabei handelt es sich in Belgien ausschließlich um die Einrichtungen „Fost Plus“ und „VAL-I-PAC“. Während sich letztere, die vergleichbar ist mit dem deutschen Grünen Punkt, um die Entsorgung und das Recycling von Sekundär- und Tertiärverpackungen kümmert, wickelt Fost Plus Primärverpackungen für in Privathaushalten verwendete Produkte ab. Beide Einrichtungen schließen dabei Verträge mit lokalen Müllentsorgern, die Verpackungsabfälle einsammeln, sortieren und weiterverarbeiten.

Sowohl Fost Plus als auch VAL-I-PAC stellen den Herstellern der Lebensmittel- und Getränkeindustrie entsprechende Listen zur Verfügung, anhand derer die produzierenden Unternehmen festlegen können, ob ihre Produkte in Belgien als gewerbliche Artikel oder Haushaltsartikel gelten. Damit zusammen hängt auch die Verantwortlichkeit für die jeweiligen Verpackungen. Zwar sind in erster Linie Produzenten und Importeure für deren Deklaration verantwortlich, doch das betrifft auch jene Unternehmen, die ihre Produkte innerhalb Belgiens verpacken (lassen), die nicht in Belgien verpackte Produkte in das Land einführen (lassen) und dort nicht selbst entpacken sowie jene, die Produkte in Belgien entpacken und Serviceverpackungen auf den Markt bringen. Sie alle sind dazu verpflichtet, sich bei VAL-I-PAC oder Fost Plus zu melden. Eine freiwillige Meldung nicht-verpackungsverantwortlicher Unternehmen ist bei Fost Plus ebenfalls möglich.

Die Pflichten zu Entsorgung und Recycling von Verpackungen

Erfüllt ein Unternehmen einen oder mehrere der oben genannten Punkte, so muss es zusätzlich drei Pflichten nachkommen:

  1. Erstellung eines Präventionsplans
  2. Rücknahmepflicht
  3. Informationspflicht

Die Pflicht zur Erstellung eines Präventionsplan gilt für Unternehmen, die als Summe aller Erst-, Zweit- und Drittverpackungen mindestens 300 Tonnen Einwegverpackungen im Jahr auf den belgischen Markt bringen. Außerdem richtet sie sich an Unternehmen, die mindestens 100 Tonnen Einwegverpackungen zum Verpacken von Produkten für den belgischen Markt verwenden. Beide müssen im Rhythmus von drei Jahren einen allgemeinen Präventionsplan bei der IVK vorlegen, der ihre Ziele und Maßnahmen zur Reduktion der Menge an Verpackungsabfällen beschreibt. Bringt ein Unternehmen zudem mindestens 300 Kilogramm Verpackungen auf den belgischen Markt, ist es in Sachen Entsorgung und Recycling auch zu einer Rücknahme seiner Verpackungen aus Glas, Papier oder Pappe, Metall, Kunststoff und Holz sowie von Getränkekartons verpflichtet. In diesem Zusammenhang muss es der IVK zudem eine jährliche Meldung über die Menge an Verpackungen zu machen.

Strafen vermeiden mit umfassender Organisation

Allen Richtlinien zu genügen und dabei noch den geforderten Pflichten nachzukommen, kann sich für viele Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie zu einer Herausforderung entwickeln. Doch wer den Anforderungen nicht genügt, muss mit massiven Geldstrafen von bis zu 25.000 Euro oder aber einem Freiheitsentzug von bis zu einem Jahr rechnen. Das betrifft sowohl eine Nichteinhaltung des Präventionsplans als auch eine nicht rechtzeitige Entsorgung sowie ein zu spätes Recycling von Verpackungsabfällen.

Auf der sicheren Seite ist, wer sich Fost Plus und/oder VAL-I-PAC anschließt. Diese übernehmen nämlich Rücknahme- und Informationspflicht für den Hersteller. Dennoch – Richtlinie und Gesetze unterliegen einer stetigen Anpassung. Deswegen empfiehlt es sich für Unternehmen der Lebensmittel- und Getränkeindustrie auf die Unterstützung durch eine Software zum Produktlebenszyklusmanagement (PLM) zu setzen. Sind nämlich alle Produktionsprozesse sowie die Angaben zur Verpackung digital erfasst und automatisiert, lassen sie sich leichter kontrollieren und an die jeweiligen Anforderungen eines Landes anpassen. Bei gesetzlichen Änderungen ist das PLM-System direkt informiert und garantiert den Herstellern so eine jederzeitige Einhaltung der regulatorischen Anforderungen eines jeden Landes.

 

Fotoquelle Titelbild: Rawpixel.com / shutterstock.com

2019-06-07T14:10:38+02:00Compliance Management, PLM|
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